Predigt zum Schulanfangsgottesdienst der Landwirtschaftsschule: Suchet der Stadt Bestes!

Predigt zum Schulanfangsgottesdienst der Landwirtschaftsschule
Schweinfurt, 21.10.2019

Text: Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe 
wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's euch auch wohl. 
Jeremia 29,7

Liebe Landwirte!

Diese Gottesdienste gestalte ich nun seit ungefähr zehn Jahren – aber noch nie war ich so ratlos wie diesmal, was ich eigentlich sagen soll.

Herr Lang hat mir wie immer davon erzählt, wie Ihre Situation im Augenblick ist. Und diesmal hat er vor allem von dem Frust erzählt, den Ihre Arbeit gerade mit sich bringt. Davon, dass Sie dass Gefühl haben, in der öffentlichen Wahrnehmung mehr und mehr die Sündenböcke für alles zu werden. Morgen wollen Sie dagegen demonstrieren.
Und es stimmt ja auch: Sie sind nicht an allem Schuld. Sie können nichts für den gnadenlosen Preiskampf in der Lebensmittelbranche. Sie lernen hier in Ihrer Ausbildung sehr viel darüber, wie Sie einen Betrieb führen können. Auch darüber, wie Sie mit der Natur leben können. Sie sind diejenigen, die in Kreisläufen denken, die wissen, dass wir auch für die Zukunft denken müssen.

Doch auf der anderen Seite – ist es überhaupt eine andere Seite oder nicht vielmehr eigentlich die gleiche Seite? - stehen die, die nun endlich massive Maßnahmen zum Klimaschutz einfordern. Seit Jahrzehnten ist das mit dem Klimawandel bekannt, aber es hat sich kaum etwas getan. Nun sagt die Klimawissenschaft: In weniger als zehn Jahren müssen wir klimaneutral werden, sonst sind die Folgen voraussichtlich katastrophal. Und die ersten, die das merken werden und eigentlich jetzt schon merken, sind gerade wieder die Landwirte. 

Aber zahlen möchte natürlich niemand dafür. Es ist ja auch logisch, dass wir Verbraucher auch aufs Geld schauen. Und im Zweifelsfall wird dann von den meisten halt doch das billigste genommen oder, fürs gute Gewissen, wenigstens nur das zweitbilligste. Aber die Landwirte sind an allem Schuld.

Ich lese gerade das neue Buch von Luisa Neubauer, der Klimaaktivistin bei Fridays for Future, das sie zusammen mit Alexander Repenning geschrieben hat. Ich finde es erstaunlich differenziert geschrieben. Da geht es nicht um dieses Gegeneinander, sondern eher um ein Miteinander: Müssten wir nicht alle am gleichen Strang ziehen? 
Da schreibt sie zum Beispiel:

„Heute geht es in der Regel mit einem Mehraufwand einher, sich ökologisch zu verhalten, zu konsumieren und sich zu bewegen; es ist eine Frage des Geldes, sich umweltfreundliche Alternativen überhaupt leisten zu können und ein Privileg, sein Leben danach auszurichten. Am Ende muss die sogenannte Baseline, also der große gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmen, eine ökologische sein.“

Und dass das eine politische Aufgabe ist, diese Voraussetzungen zu schaffen. Wir einzelnen können das gar nicht. 
Das gilt doch sowohl für die Landwirtschaft als auch für jede Produktion als auch dann für den Konsum: Das klimaneutrale, ökologische Verhalten muss das normale werden. Wir können es uns nicht mehr leisten, über unsere Verhältnisse zu leben. Sie Landwirte wissen das. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ wurde ja in der Forstwirtschaft erfunden, das habe ich vor ein paar Jahren bei einem der Gottesdienste hier gelernt. Da müssen wir hinkommen, aber das schaffen weder wir Verbraucher noch Sie Landwirte allein. Da gehören wir zusammen, und gegenseitige Schuldzuweisungen helfen gar nichts. 

Manches versucht die Politik ja auch zu regeln. Doch irgendwie wird‘s einfach nur ein immer unübersichtlicher Wust an Regeln und Vorschriften, die Ihnen das Leben schwer machen. Dinge, die einfach viel Geld kosten oder die nicht mal möglich sind, weil zum Beispiel zertifizierte Baumaterialien gar nicht zu finden sind. Für kleine und mittlere Betriebe ist das kaum noch zu leisten. 

Das ist tatsächlich etwas, was nicht nur die Landwirtschaft trifft: Am Freitag haben wir einen neuen evangelischen Kindergarten eingeweiht. Die Baukosten pro Kindergartengruppe haben sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Neue Vorschriften, die jede für sich genommen eigentlich sogar sinnvoll sind, machen es kaum noch möglich, die ganze Last zu tragen.

Ja, ich kann Ihren Frust verstehen. Und ich habe lange überlegt, was ich Ihnen heute mit auf den Weg geben kann. Am Ende ist mir ein Satz des Propheten Jeremia eingefallen. Er hat ihn gesagt in einer Zeit, die für das Volk Israel mehr als frustrierend war.

Vielleicht haben Sie schon mal von der babylonischen Gefangenschaft gehört. Das war ein sehr einschneidendes Erlebnis in der Geschichte des Volkes Israel. Von der benachbarten Großmacht Babylon wurden sie besiegt. Alles, was Rang und Namen hatte, wurde nach Babylon in die Hauptstadt verschleppt, die gesamte Elite des Landes. Und die einfachen Leute – die flohen zum großen Teil in die andere Richtung, zur anderen Großmacht der damaligen Zeit, Ägypten. Der Staat Israel existierte im Grunde nicht mehr, kaum jemand wohnte mehr dort. Fast 60 Jahre lang. Und die Leute fragten sich: Wie sollen wir jetzt damit umgehen? Sollen wir in der Hauptstadt des Siegerlandes Partisanenkämpfe anfangen? Zivilen Ungehorsam praktizieren? Oder was sonst?

Und Gott lässt ihnen durch Jeremia sagen: 

Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum HERRN; denn wenn's ihr wohlgeht, so geht's euch auch wohl. 

Suchet der Stadt Bestes. Gemeint ist Babel, die Hauptstadt des Siegerlandes. Also: Ganz egal, auch wenn euch die Leute nichts Gutes wollen. Selbst, wenn sie euch in die Gefangenschaft geführt haben: Suchet der Stadt Bestes. Versucht, zum Gelingen der Gemeinschaft beizutragen. Für Sie Landwirte – Sie sind ja keine Stadtwirte – wäre vielleicht besser zu sagen: Sucht das Beste für das Land. Lasst euch nicht beirren davon, dass manche euch nichts Gutes wollen. Aber lasst euch auch darauf ein, wenn jemand andere Wege vorschlägt als die, die ihr bisher gekannt habt – vielleicht ist manches daran gar nicht so schlecht.

Suchet der Stadt Bestes. Sucht das Beste für das Land, für die soziale Gemeinschaft, in der ihr lebt.

Sie, die Landwirte, legen dafür die Grundlage. Denn Sie entscheiden über viele Dinge, die uns alle betreffen. Sie entscheiden über Nitrateinbringung, Düngung, die Art der Viehhaltung. Sie entscheiden über Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen. Manches davon werden Sie aus Überzeugung tun, manches wird Ihnen vielleicht auch in Gesetzen vorgeschrieben, deren Sinn Sie manchmal auch bezweifeln oder über die Sie stöhnen.
Aber: Sie haben eine große Verantwortung. Suchen Sie das Beste für die Stadt, für das Land. 

Der Prophet Jeremia redet ja noch weiter in diesem kurzen Satz. Er fordert nicht nur, sondern er verspricht auch etwas:  wenn's ihr (der Stadt) wohlgeht, so geht's euch auch wohl. 

Also: Tragt das Eure dazu bei zum Wohlergehen aller. Dann wird es auch euch gut gehen.

Vielleicht schaffen wir es, so aus dieser Polemik und dem völlig sinnlosen Gegeneinander wieder zu einer gemeinsamen Haltung zu kommen. Und die heißt: Wir suchen das Beste für unser Land, für unsere Dörfer, für unsere Städte. Für die Menschen, die darin wohnen. Für die Tiere. Für die Pflanzen. Und fürs Klima.
Viel Handwerkszeug, das Sie dafür benötigen, werden Sie in diesem Schuljahr lernen. Dafür wünsche ich Ihnen alles Gute und Gottes Segen.

Amen.