Die Ampel zeigt blau

Predigt am Ostersonntag 
  Schweinfurt, St. Salvator, 4.4.10; Schonungen, 24.4.11
 
Liebe Gemeinde!

"Man erzählt sich, die Ampel vorm Domplatz in Mailand
stellte eines Tags all ihre Lichter auf blau.
Soll man gehn? Soll man stehn? Soll man fahrn oder warten?
Was soll blau nur bedeuten? Daraus wurde keiner schlau.

Dieses Blau war noch schöner als der Mailänder Himmel.
Wie die Tinte des Dichters für ein Frühlingsgedicht.
Wie ein Kirchenglasfenster, von der Sonne erleuchtet.
Lapislazuliblau mit etwas Wasser vermischt.

Doch die Leute verfluchten das Verkehrsministerium,
die Regierung, die UNO, überhaupt diese Welt.
Ein Verkehrspolizist blies die Pfeife und tobte.
Und ein andrer hat schnell ihren Strom abgestellt.

Doch bevor sie verlosch, dachte die blaue Ampel:
Ach ihr Armen, sicher hat euch noch keiner erzählt:
blau bedeutet: Die Straße ist jetzt frei in den Himmel.
Wenn ihr wollt, könnt ihr fliegen, falls der Mut euch nicht fehlt."
(Gerhard Schöne)

Liebe Gemeinde!
Wie oft sind Sie schon gestorben?
Ich meine natürlich nicht: Wie oft waren Sie schon richtig tot, sind wieder reanimiert worden, obwohl es ja auch diese Dinge durchaus gibt. Nein, ich meine die vielen kleinen Tode, die wir immer wieder verkraften müssen. Wenn etwas in uns stirbt. Eine Hoffnung, die wir hatten, erweist sich als trügerisch. Macht der Verzweiflung Platz: Ich schaffe das alles nicht, was ich erledigen muss, ich komme mit meinem Partner, meinen Eltern, meinen Kindern, meinem Arbeitgeber nicht klar. Ein Stück von mir stirbt, weil mein Leben nicht frei und fröhlich sein kann, weil es überschattet wird von Sorgen.

Oder die Schuld, die ich jeden Tag auf mich lade. Da, wo ich meinen eigenen Vorteil suche. Wo ich nicht auf den anderen achte. Wenn ich gezielt eine Lüge erzähle oder hinter dem Rücken des anderen tuschle. Da stirbt ein Stück von mir.

Gerade in unserer katholischen Schwesterkirche ist zur Zeit viel von Schuld die Rede. Aber auch in evangelischen Einrichtungen wurden Kinder geschlagen, in Einzelfällen auch missbraucht. Wie können die Opfer weiterleben? Wie beeinflusst das ihr Leben? Manche von ihnen fühlen sich schon tot, obwohl sie noch am Leben sind. Wie können wir damit umgehen?

Oder diese große Schuld, die wir als Gesellschaft auf uns laden, die wir kaum noch wahrnehmen: Dass wir es nicht schaffen, Gerechtigkeit in die Welt zu bringen. Während wir hier in Schokoladeneiern schwelgen, sterben anderswo Kinder an Hunger.

Der kleine Tod – mitten im Leben. Alles ist dunkel. Es gibt keine Perspektive mehr für das eigene Leben.

Jesus setzt dagegen das Leben. Er sagt: Ich mache dich lebendig! Der Himmel steht offen, die Ampel zeigt blau.

Das ist es, liebe Gemeinde, was Ostern ausmacht: Gott überwindet die Kluft zwischen ihm und uns. Nichts steht mehr zwischen Gott und den Menschen. Wo wir nicht seinen Willen getan haben, wo wir uns von ihm entfernt haben und unsere eigenen Wege gegangen sind, unsere kleinen Tode gestorben sind - das alles zählt nicht mehr vor Gott. Ja, er geht sogar noch weiter: Er überbrückt die Kluft des Todes. Nicht nur den kleinen Tod mitten im Leben, sondern auch die große Kluft zwischen Sterben und Leben.
Der Himmel steht offen, die Ampel zeigt blau!

Manche von Ihnen haben sicher Verluste zu beklagen in diesem letzten Jahr. Einen lieben Menschen, der seit einiger Zeit nicht mehr da ist. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie die Traditionen hier in Schweinfurt sind. In meiner früheren Gemeinde Gochsheim wurden die Namen der Verstorbenen nicht am Ewigkeitssonntag vorgelesen, sondern am Ostersonntagmorgen auf dem Friedhof. Ein Zeichen der Hoffnung, auch im Angesicht des Todes!

Trotzdem. Manche sind dabei, da fragt man sich: Warum schon jetzt? Mit 20 Jahren, mit gut 30, mit 56. Und natürlich bleibt da unsere eigene Angst vor dem Tod, davor dass nächstes Jahr auch unser Name mit dabei sein könnte. Was wird sein nach dem Tod? Stimmt es, woran wir glauben? Ist das wahr?

Jesus sagt: Ich mache dich lebendig! Der Himmel steht offen, die Ampel zeigt blau.
Jesus selbst sagt es uns - im Johannesevangelium, Kapitel 5, 19-21:

V19 Da antwortete Jesus und sprach zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich aus tun, sondern nur, was er den Vater tun sieht; denn was dieser tut, das tut gleicherweise auch der Sohn. V20 Denn der Vater hat den Sohn lieb und zeigt ihm alles, was er tut, und wird ihm noch größere Werke zeigen, so daß ihr euch verwundern werdet. V21 Denn wie der Vater die Toten auferweckt und macht sie lebendig, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will.

Der Sohn macht lebendig, wen er will.
Zu den meisten von Ihnen hat er schon vor langer Zeit gesprochen. Bei Ihrer Taufe hat Jesus gesagt: „Ja, ich will dich! Ich mache dich lebendig! Der Himmel steht offen, die Ampel zeigt blau.“

Haben Sie noch im Ohr, wie die Menschen auf die blaue Ampel reagiert haben? Sie haben geschimpft, weil sie nicht wussten, was sie mit ihr anfangen sollten. Einer ist schnell hin gegangen und hat ihr den Strom abgestellt. So reagieren wir Menschen auf Dinge, die wir nicht verstehen. So reagierten die Menschen damals auf Jesus, der ihnen sagte: Der Himmel steht offen! Ja, auch auf Jesus haben sie so reagiert. Sie wollten ihn weg haben. Er war unbequem, er zeigte ihnen nämlich, wie ihr Leben sein könnte. So musste er sterben. Auch ihm haben sie sozusagen den Strom abgestellt. Ihm, der ihnen sagen wollte: Der Himmel steht offen!

Aber Gottes Liebe lässt sich nicht so leicht klein kriegen. Nicht einmal durch den Tod. Der Himmel steht offen, für uns. Die Ampel zeigt blau.

Der Himmel steht offen für ein erfülltes Leben. Für ein Leben, das sich nicht ängstlich verstecken muss, sondern das die Freiheit genießt, die Gott uns schenkt. Ein Leben, das all das Gute fröhlich empfängt, das Gott uns gibt. Ein Leben, das sich einsetzt, dort, wo anderes Leben bedroht ist oder unterdrückt wird. Ein Leben, das sich kompromisslos den anderen zuwendet. Wenn wir so leben, dann steht uns wirklich der Himmel offen.
Schöne Träumerei, mögen Sie vielleicht sagen. So einfach ist das ja nicht. Wir unterliegen so vielen Zwängen, wir können doch gar nicht viel machen. Wir können nichts dagegen tun, dass die Menschen in Afrika verhungern. Wir können nichts dagegen tun, dass überall die Kriege wieder aufflammen. Selbst hier in Schweinfurt gibt es so viele arme Menschen, was können wir schon tun?

Vielleicht kann man ja doch etwas bewegen. Am Freitag kommt in Schweinfurt der Spendenmarathon vorbei. Da haben Menschen mit Mut und Phantasie etwas auf die Beine gestellt. Eine riesige Aktion mit einem Lauf von Wittenberg bis Rom mit dem Ziel, möglichst viele Spenden für Projekte in Kenia zu sammeln.

Es muss ja gar nicht gleich ein so riesiges Projekt sein. Aber mit Mut und Phantasie können wir uns für das Leben einsetzen, uns nicht unterkriegen lassen, unsere Zeit nutzen, die wir hier auf der Erde haben, die uns geschenkt wurde von Gott. Wir können daran arbeiten, dass der Himmel auch für andere offen steht. 

Jesus sagt: Ich mache dich lebendig! Der Himmel steht offen, die Ampel zeigt blau.

Lied von CD


Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
 

Comments

Besten Dank, dass ich so an der Predigt teilhaben konnte. Ich glaub, bei jeder Ampel werde ich nun an eine "blaue Ampel" denken und an den Text, eine gute Metapher.

Herzlichen Dank,

Kerstin